Das Referenzmodell Industrie 4.0 (RAMI 4.0)

Kubisches Schichtenmodell als Kommunikationsgrundlage für Standardisierungsvorhaben

Als sogenannte Industrie 4.0 wird die aktuelle Evolutionsstufe der internationalen Industrie bezeichnet, die durch eine Vernetzung von Produkten, Maschinen und den Interaktionspartnern der Fabriken alte Strukturen erneuern und somit eine neue Wettbewerbsfähigkeit erreichen soll. Mit der Industrie 4.0 verbinden Industrienationen wie Deutschland, Frankreich, Japan und die USA auch den Wunsch, die Produktionsstätten – und somit die wesentlichen Wertschöpfungsschritte – wieder innerhalb der Grenzen der eigenen Nation zurück zu holen und langfristig zu halten.

referenzmodell-industrie-4-punkt-nullDiese politische Bedeutung der Industrie 4.0 wird in Deutschland durch die Plattform I40 untermauert, die von den drei großen Wirtschaftsverbänden VDMA e.V., ZVEI e.V. und BITKOM e.V. im April 2013 ins Leben gerufen wurde und seit April 2015 maßgeblich vom deutschen Wirtschaftsministerium geleitet wird.

Insbesondere durch die hohe Interdisziplinität ist die wohl größte wirtschaftspolitische Herausforderung der Industrie 4.0 die Standardisierung von Schnittstellen. Um die Standardisierung durch Gremienarbeit besser angehen zu können, wurde 2015 auf der Hannover Messe das Referenzarchitekturmodell Industrie 4.0 (RAMI 4.0) entsprechend der DIN SPEC 91345 als ein Ergebnis der Plattform I4.0 vorgestellt.  RAMI 4.0 ist ein kubisches, schichtenorientiertes Strukturmodell, das die Beschreibung von technischen Gegenstände (Assets) über sechs übereinanderliegende Schichten (Layer) erleichtern soll, indem diese den Nutzen und den Hierarchien leichter zugeordnet werden können.

Das RAMI 4.0 ist angelehnt an das zuvor erarbeitete Smart Grid Architecture Model (SGAM), das ebenfalls als ein Mehrschicht-Modell mit drei Dimensionen in Gremien erarbeitet wurde und der Kommunikationserleichterung für die Normung dienen soll. Das Smart Grid ist ein Konzept der intelligenten Stromnetz-Infrastruktur und war lange vor dem Auftauchen des Industrie 4.0 Begriffs ein Thema, das Standardisierungsgremien beschäftigte. Smart Grid gilt als einer der Vorreiter für Industrie 4.0, für dessen Normung anfangs häufig Standards für Smart Grid als Vorlage für Normen für die Industrie 4.0 verwendet wurden – Die Erarbeitung des RAMI 4.0 in Anlehnung an SGAM ist ein gutes Beispiel für dieses Vorgehen.

Das RAMI 4.0 wurde zur Vereinfachung der Normung entwickelt, ist jedoch auch dazu geeignet, als Struktur zur Bewertung und Einordnung jeglicher Industrie 4.0 Technologien und Anwendungen genutzt zu werden.

Ebenen des RAMI 4.0 (Layer)

Die horizontalen Ebenen dieses Schichtenmodells sind angelehnt an die Norm IEC 62890. Der untersten Ebene, dem Asset Layer, werden alle physischen Objekte der Industrie 4.0 zugeordnet.

Der Integration Layer ist für die Verbindungen der realen Welt bzw. der realen Objekte (Assets) mit der digitalen Welt bzw. der virtuellen Realität zuständig. Es ist die technische Ebene der Digitalisierung,

Der darüber liegende Communication Layer führt die digitale Anbindung fort und stellt gleichfalls die eigentliche Vernetzung („Internet of Things“) über IT-Netzwerke dar.

Auf dem Information Layer liegen alle prozessrelevanten Informationen in Form von Daten vor. Werden Daten verknüpft und im Kontext betrachtet, entstehen Informationen, die zu Wettbewerbsvorteilen werden können. Auf dieser Ebene werden die unterschiedlichen Formate behandelt, in denen Daten der Maschinen, Produkte und der Unternehmens-IT abgelegt werden können.

Die Layer für Information und Communication sind Kernelemente der Industrie 4.0, da deren Prinzipien im Kern auf den Datenaustausch zwischen Objekten („Internet of Things“) und deren Auswertung beruhen.

Der Functional Layer enthält die formal beschriebenen Funktionen eines bestimmten Wertschöpfungsprozesses, beispielsweise bestimmter Transportsysteme, Montage- oder Fertigungsverfahren. In der Fertigung sind dem Functional Layer beispielsweise die Arbeitspläne, Ampelsysteme oder sogar einzelne SPS-Codezeilen zuzuordnen. In der Logistik zählen zu dieser Ebene beispielsweise die Just-in-Time-Logiken von Kanban-Systemen.

Der Business Layer enthält die Geschäftslogik der Industrie 4.0 Anwendung, die beispielsweise das Ziel hat, Risiken von Maschinenausfällen zu reduzieren, Produktionsstückkosten direkt zu senken oder aber um eine kundenindividuelle Fertigung zu erreichen und dabei den Absatz zu steigern.

Hierarchische Ebenen (Hierarchy Levels)

Jegliche Technologien der Industrie 4.0 müssen sich in die Hierarchie typischer Fabrikstrukturen unterschiedlichster Branchen einordnen lassen. Die Dimension der Hierarchieebenen orientiert sich an den Normen IEC 62264 und IEC 61512, welche die Ebenen einer Fabrik beschreiben. Da die Industrie 4.0 jedoch auch über die räumlichen Grenzen der Fabrik hinauswirken soll – denn auch Logistik- bzw. Transportnetze vom Lieferanten bis hin zum Kunden sollen miteinander vernetzt werden – stellt die oberste Hierarchieebene die Connected World dar, die den bisherigen Denkhorizont der Fabriksteuerung erweitert und somit für den Aufbruch in die Welt der Industrie 4.0 steht.