Der Verband Wirtschaftsingenieure e.V. (VWI) hat am 29. Juni 2011 die 13. Auflage der Berufsbilduntersuchung Wirtschaftsingenieurwesen veröffentlicht. Die Auflage kann käuflich erworben werden, neue Mitglieder des VWI bekommen sie gratis zugeschickt. Die Berufsbilduntersuchung klärt viele Fragen von Studierenden und Studieninteressierten des Wirtschaftsingenieurwesens.
Zusammenfassung und Interpretation – Berufsbild Wirtschaftsingenieur
Ein einheitliches Berufsbild des Wirtschaftsingenieurwesens gibt es so nicht – noch weniger als in vielen anderen Fachrichtungen. Je spezialisierter ein Studiengang ist, desto einfacher lässt sich ein abgrenzbares Berufsbild aus diesem ableiten. Wirtschaftsingenieurwesen ist jedoch generalistisch aufgebaut und findet sehr viele mögliche Berufsbilder.
Die meisten angehenden Wirtschaftsingenieure zielen auf Einstellungen in der Produktion, Logistik und Marketing ab. Ebenfalls bei Studenten/Absolventen beliebt, sind Stellen in der Beratung, im Controlling sowie in der Beschaffung. Verhältnismäßig weniger bevorzugte Einsatzfelder sind das Finanzwesen, die Forschung/Entwicklung sowie Tätigkeiten in Personal und Organisation.
Das Durchschnittsalter der Absolventen im Wirtschaftsingenieurwesen liegt zwischen 27 und 28 Jahren, damit liegt das durchschnittliche Absolventenalter in etwa gleich wie bei Absolventen anderer Wirtschafts- und Ingenieurwissenschaften. Beeindruckend ist die berufliche Erfolgsquote der absolvierten Wirtschaftsingenieure: Eine minimale Quote von Arbeitslosigkeit, dafür jedoch eine überzeugende Quote etablierter Wirtschaftsingenieure mit Führungsverantwortung zeichnen diesen Studiengang aus. Eine besonders große Zahl von berufserfahrenen Absolventen nimmt leitende Positionen gerade dort ein, wo technisches und ökonomisches Wissen gleichermaßen von Bedeutung ist. Die Aufstiegsmöglichkeiten als Wirtschaftsingenieur gelten unter allen Ingenieurwissenschaften als vorbildlich.
Die Einstiegsgehälter liegen laut Berufsbilduntersuchung des VWI für Absolventen zwischen 34.000 und 41.000 Euro pro Jahr:
Master (Universität) | 41.000€ |
Master (Fachhochschule) | 38.000€ |
Bachelor (Universität) | 35.000€ |
Bachelor (Fachhochschule) | 34.000€ |
Absolventen mit Master (Universität) verdienen dabei im Durchschnitt sogar 2.000 Euro mehr als mit dem alten Diplom (Universität).
Die Gehaltsstatistik ist mit Vorsicht zu genießen, denn hier gibt es starke Abweichungen von Unternehmen zu Unternehmen und von Region zu Region. Wer sich nicht gerade bei Konzernen mit festen Einstiegsstrukturen bewirbt, wird durch gutes Verhandlungsgeschick viele Gehaltsvorteile erreichen können. Eine Berufsausbildung vor dem Wirtschaftsingenieur-Studium gilt als nützlich, sofern diese einen erkennbaren Bezug zur angestrebten Tätigkeit hat.
Zusätzlich sollte sich niemand nur auf sein Studium verlassen, sondern versuchen, sich spezielle – möglichst auf dem Arbeitsmarkt gesuchte – Kenntnisse und Fähigkeiten (beispielsweise Sprachen, IT-Kenntnisse, Soft Skills, Finanzwissen oder Methoden des Projektmanagements) als Zusatzqualifikation anzueignen und belegen zu können.
Betreffend der Erfolgsfaktoren für den Einstieg der Wirtschaftsingenieure in die Berufswelt wird von Unternehmen eingeschätzt, dass 1. der Praxisbezug, 2. der Studienschwerpunkt sowie 3. die Abschlussnote (der Reihenfolge nach von relativ wichtig zu relativ unwichtiger) am bedeutendsten sind. Nicht unwichtig sind zudem 4. Auslandsaufenthalte und 5. die Studiendauer sowie 6. das Thema der Abschlussarbeit. Vergleichsweise unwichtig ist hingegen der Studienort.
Bei den Gehaltsstrukturen berufserfahrener Wirtschaftsingenieure zeigt sich ein Ungleichgewicht bei sehr hohen Jahresgehältern. Während 33,1% aller Wirtschaftsingenieure mit universitärer Ausbildung mehr als 100.000 Euro verdienen (immerhin 16,3% verdienen sogar mehr als 150.000 Euro), spielen nur 6% aller Wirtschaftsingenieure mit Fachhochschulabschluss in der Liga über 100.000 Euro (nur noch 1,6% bekommen mehr als 150.000 Euro).
Durch die noch junge Einführung der Bachelor/Master-Abschlüsse könnte sich dieses Ungleichgewicht jedoch zu Gunsten der Fachhochschul-Absolventen wandeln, denn bei den alten Diplom-Abschlüssen wird noch in der Abschluss-Bezeichnung zwischen Universität und Fachhochschule unterschieden. Zudem zählen unter den Wirtschaftsingenieuren mit universitärem Studium auch sehr viele promovierte Absolventen mit Doktor-Titel. Der Doktor-Titel setzt sich hinsichtlich Gehaltserwartung ganz klar nicht nur in der Wissenschaft, sondern auch in der Wirtschaft von den Master-Abschlüssen nach vorne ab, wird nun jedoch mit dem Bologna-Prozess auch für Fachhochschulabsolventen mit Master-Abschluss erreichbarer als zuvor mit dem Diplom(FH).
Eine Promotion gilt generell als nützlich, wenn sie auch von Wirtschaftsingenieuren förderlicher eingeschätzt wird als von Unternehmen. Es stellt sich – gerade auch in Anbetracht der aktuellen öffentlichen Diskussion über Titelgier und Titelaberkennung – jedoch die Frage, inwiefern eine Promotion als Wirtschaftsingenieur sinnvoll ist, denn hier widerspricht sich der Generalismus (Interdisziplin) etwas mit der Spezialisierung auf ein Sachgebiet (Promotion). Eine Promotion kann sinnvoll sein, wenn die Spezialisierung – beispielsweise auf ein integratives/interdisziplinäres Fach – im Sinne des Wirtschaftsingenieurwesens steht oder wenn eine Spezialisierung auf einen Bereich der Ingenieur- oder Wirtschaftswissenschaft (die Abkehr vom Wirtschaftsingenieurwesen) angestrebt wird.