Anforderungsmanagement

Anforderungsmanagement ist ein Sachgebiet innerhalb der Produktgestaltung, mit Schwerpunkt auf Produktplanung und -erprobung, und ist die wichtigste Informationsgrundlage für das Qualitätsmanagement und der zugehörigen Produkterprobung.
Produkterprobung umfasst die Prüfung, ob das Produkt die Anforderungen erfüllt (Verifizierung) und die Erklärung, dass das Prüfungsergebnis gültig und verbindlich ist (Validierung). Im Hintergrund der Produkterprobung muss eine Evaluierung geschehen. Das bedeutet, dass die Messergebnisse der Prüfung unbedingt auf Korrektheit hin zu untersuchen sind, die Richtigkeit der Messdurchführung und deren Ergebnisse ist dabei sicherzustellen.

Produktanforderung

Eine Produktanforderung ist eine Vorgabe von zu erfüllenden Eigenschaften/Merkmalen eines Produkts oder einer Komponente und damit eine Aussage über eine notwendige Soll -Beschaffenheit oder -Fähigkeit.

Produktanforderungen werden in der DIN EN ISO 9000 als festgelegtes Erfordernis oder festgelegte Erwartung definiert, welche optional sein kann, üblicherweise aber vorausgesetzt wird oder verpflichtend ist.
Welche Anforderungen ein Produkt hat, hängt sehr von den Personen ab, welche das Produkt beschreiben. Produktanforderungen ändern sich insbesondere in den Phasen bis zur Konzeptionierung gravierend.
Das Marketing definiert Anforderungen nach Kundenwunsch, nach durchgesetzten Anforderungen durch Kunden oder den Wettbewerb und für besondere Merkmale, die das Produkt auf besondere Weise vom Wettbewerb absetzen.
Nicht alle Anforderungen aus dem Marketing / Vertrieb können technisch umgesetzt werden oder sind zu teuer und können nicht im Rahmen des Budget und/oder der Lieferzeit eingekauft werden.
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Anforderungsmanagement

Anforderungsmanagement ist das Management von Produktanforderungen.
Das Anforderungsmanagement setzt sich im Maschinenbau erst jetzt abgrenzbar als eigene Disziplin durch, während in der Software-Entwicklung, in welcher das Anforderungsmanagement seinen Ursprung hat, die Wichtigkeit eines eigenständigen Anforderungsmanagements bereits sehr früh erkannt wurde.
Anforderungsmanagement beinhaltet schwerpunktmäßig die Anforderungsanalyse und technische Beschreibung des Produkts bzw. der Festlegung seiner technischen Eigenschaften.
Anforderungen sollen möglichst früh richtig erkannt und definiert werden, um spätere Änderungskosten und Gewährleistungskosten (sowie der schwer ökonomisch bezifferbare Imageverlust) möglichst gering zu halten.
Als erster Schritt im Anforderungsmanagement wird in der Regel das Lastenheft gesehen (tatsächlich kann Anforderungsmanagement jedoch schon viel früher beginnen). Das Lastenheft enthält alle vom Auftraggeber festgelegten Anforderungen hinsichtlich des Umfangs und der Art der Leistung und Lieferung.
Die Idee hinter dem Anforderungsmanagement ist, Anforderungen eindeutig zu definieren und mit Produkten zu verknüpfen. Diese Definition und Verknüpfungen sollen durch konzernweite, einheitliche Ablage wiederverwendet werden können, was eine einheitliche Vorgehensweise und konzernweite Transparenz ermöglicht und somit den zur Produktdefinition zugehörigen administrativen Aufwand reduziert.

In der produzierenden Industrie, welche nahezu immer auf Vorleistungen zurückgreift, hat sich die Strategie durchgesetzt, die Zulieferer und externe Dienstleister, sofern an der Leistungserstellung direkt beteiligt, immer mehr in die Leistungserstellungsprozesse einzubinden.
Das Pflichtenheft wird vom Auftragnehmer aus dem Lastenheft abgeleitet und enthält die Beschreibung zur Realisierung der Anforderungen. Bei kleineren Unternehmen sind klassische Pflichtenhefte im Form von Textdokumenten noch Alltag. Mittelständische Unternehmen und Konzerne beschäftigen sich jedoch mit einer Vielzahl von hoch komplexen Produkten, welche viele tausend Anforderungen pro Produkt definiert und verknüpft haben.
Mittelständische Unternehmen und vor allem Konzerne arbeiten daher mit elektronischen Datenbanken, welche  Anforderungstabellen beinhalten und mit Verknüpfungen arbeiten. Im Qualitätswesen können alle Anforderungen, die mit einem zu prüfenden Produkt verknüpft sind, verifiziert werden. Dazu dienlich ist ein Datenbankmanagementsystem, welches Testprotokolle standardisiert und verständlich darstellt
(häufig ein Ampelsystem: grün = Anforderung erfüllt, gelb = Anforderung unter Bedingungen erfüllt, rot = Anforderung nicht erfüllt).

Software im Anforderungsmanagement

Heutiges Anforderungsmanagement spielt sich hauptsächlich mit einer unternehmensindividuellen Software in Form einer Datenbank ab, welche als Dokumentationsquelle dient.

Dokumentation in Form von Texten und Tabellen alleine ist in Zukunft jedoch nicht mehr ausreichend. So wie in der Entwicklung und Fertigung beschreitet auch das Anforderungsmanagement den Weg ins Computer Aided Engineering (CAE).

In Zukunft wird Software aus der Kategorie Product Data Management (PDM) eine bedeutendere Rolle spielen. PDM-Software ist bis heute keine Standardsoftware, sondern jegliche Software, welche Wissen aus der Dokumentation, dem Modell (CAD) und den Prozessen (ERP) kombiniert und zentral zur Verfügung stellt.

Noch weiter geht Product Lifecycle Management (PLM), welche nicht nur den Produktionsweg betrachtet, sondern den gesamten Produktlebenszyklus (bis hin zur Nutzung und Entsorgung/Wiederverwertung) einbezieht.

Im weiteren Sinne werden auch Softwarelösungen der Unterkategorien des Konzepts des Computer Aided Engineering im Zusammenhang mit dem Anforderungsmanagement genannt.

  • Computer Aided Design (CAD)
  • Digital Mock-Up (DMU)
  • Virtual Reality (VR)
  • Computer Aided Process Engineering (CAPE)
  • Computer Aided Manufacturing (CAM)

Die zugehörigen Softwarelösungen beschreiben das Produkt aus ihrer jeweiligen Sicht und sind nur für Teilbetrachtungen im Anforderungsmanagement von Nutzen.

Klassifizierung von Anforderungen

Moderne Industrieprodukte wie Automobile, Computersysteme, Fertigungsanlagen usw. haben so viele verschachtelte Anforderungen, dass die Anforderungsmenge kaum noch überschaubar wäre, wäre sie nur mit dem Endprodukt verknüpft.

Für die Entwickler, Fertigungsmitarbeiter usw. sind nicht alle Anforderungen gleichermaßen wichtig. Ein Konstruktionsingenieur für Antriebstechnik eines Flugzeuges muss beispielsweise nicht alle Anforderungen für die Sauerstoffversorgung, Klimaanlage, Bordelektronik oder Unterhaltungselektronik des Flugzeuges aus dem Stegreif wissen (es kann jedoch notwendig sein, dass er Anforderungen nachschlagen kann). Für ihn sind vor allem die Anforderungen an den Antrieb des Flugzeuges von Bedeutung. Alleine die Anforderungsmenge für die Antriebsmaschinen eines Flugzeuges überschreitet  den vierstelligen Bereich. Allein diese Menge an Anforderungen nur für eine Komponente verdeutlicht die Notwendigkeit einer intelligenten Datenbank als Kernpunkt im Anforderungsmanagement.

Anforderungen werden daher klassifiziert und mit ihrer Klasse verknüpft. Die Klassifizierung erfolgt nach Systemen.

  • Klassifizierung nach Funktionen:
    z. B. nach Antrieb, Federung, Bremsen, Kühlung, Unterhaltungselektronik und Bordelektronik
  • Klassifizierung nach Komponenten/Domänen:
    z. B. nach Motor, Getriebe, Bremse, Klimaanlage, Bordcomputer, Steuergerät
  • Klassifizierung nach Projekten für Veränderungen
    z. B. Entwicklung eines Redesign / Facelift, einer Sportversion etc.

Die Klassifizierungen lassen sich selbst verschachteln oder als Baum darstellen (beispielsweise sind Lautsprecher Teil der Unterhaltungselektronik, welche wiederum Teil der Bordelektronik ist).

Quality Function Deployment (QFD)

QFD ist eine Vorgehensweise des Qualitätsmanagements im Rahmen der Produktgestaltung und -realisierung, welche das Anforderungsmanagement als (zentralen) Hauptbestandteil von sich selbst sieht.

QFD fokussiert das Ziel, die Leistungserstellung und -lieferung genau nach Kundenwunsch zu erreichen. QFD spielt in der auftragsgebundenen Produktion eine Rolle.

Knackpunkte im Anforderungsmanagement

Kundenanforderungen sind selten eindeutig formuliert. Der Kunde drückt sich unbewusst und bewusst nicht immer klar aus, um sich vor falschen eigenen Anforderungsaussagen zu bewahren.

Die häufig eher subjektiven, relativen und aktuellen Trends unterworfenen Anforderungsaussagen müssen vom Anforderungsmanagement in eindeutige, technische Anforderungen übersetzt werden.
Konkurrierende Anforderungen ausfindig machen und bereinigen ist dann die nächste Herausforderung.
Schwierig zu erfassen sind qualitative Produktanforderungen. Während quantitative Produktanforderungen (z. B. Menge, Größe, Farbwert, Rauheit) immer messbar (und somit auch leicht prüfbar) sind, müssen qualitative Produktanforderungen (z. B. Design), eher subjektiv beurteilt werden.
Schwierigkeiten birgt auch die nötige Flexibilität im Anforderungsmanagement. Fehler in der Anforderungsdefinition und -beschreibung passieren schnell und müssen korrigiert werden, was wiederum Flexibilität voraussetzt. Die Flexibilität bei der Definition von Anforderungen hängt sehr vom Verhältnis des Auftragnehmers zum Auftraggebers ab.