Anfechtung nach dem BGB

Ein durch übereinstimmende, gegenseitige Willenserklärungen entstandener Vertrag kann in bestimmten Fällen angefochten werden. Eine gültige Anfechtungserklärung hat die Unwirksamkeit des Vertrages zur Folge.

Das BGB benennt genaugenommen sechs Gründe, die einen Anfechtungshintergrund geben können:

1. und 2. Anfechtungsgrund: Inhalts- und Erklärungsirrtum i.S.d. §119 (1) BGB

§119 (1) BGB:
Wer bei der Abgabe einer Willenserklärung über deren Inhalt im Irrtum war oder eine Erklärung dieses Inhalts überhaupt nicht abgeben wollte, kann die Erklärung anfechten, wenn anzunehmen ist, dass er sie bei Kenntnis der Sachlage und bei verständiger Würdigung des Falles nicht abgegeben haben würde.

Der Paragraph nennt zwei Möglichkeiten im ersteb Absatz. Die erste Alternative meint den Irrtum über den Inhalt, die zweite Alternative den Irrtum über die Erklärung.

Beispiel für einen Inhaltsirrtum: Ein junger Mann ist im Glauben, dass er mit seinem PKW-Führerschein auch ein Motorrad fahren darf und kauft in diesem Glauben ein Motorrad. Hätte er gewusst, dass er das Motorrad jedoch erst nach Erlangung einer speziellen Fahrerlaubnis für Zweiräder fahren darf, hätte er es nicht gekauft.

Beispiel für einen Erklärungsirrtum: Der junge Mann weiß zwar genau, dass er ein Motorrad nicht fahren darf, dennoch schwebt ihm ständig ein Motorrad vor. Allerdings findet er sich, da er nicht wieder die Fahrschule besuchen möchte, damit ab und will nun lieber ein neues Auto kaufen. Beim Kraftfahrzeughändler kann er Kraftfahrzeuge via Telefon bestellen. Beim Telefonat mit einem „Vertriebler“ möchte er ein Auto bestellen, aus Verträumtheit (und dem schwerverdrängbaren Wunsch) sagt er am Telefon jedoch „Motorrad Modell XY“ statt „Auto Modell XY“, ein kurzer Versprecher mit großen Folgen.

3. Anfechtungsgrund: Eigenschaftsirrtum i.S.d. §119 (2) BGB

§119 (2) BGB:
Als Irrtum über den Inhalt der Erklärung gilt auch der Irrtum über solche Eigenschaften der Person oder Sache, die im Verkehr als wesentlich angesehen werden.

Der zweite Absatz des Paragraphen 119 spricht von Eigenschaften einer Sache oder einer Person und einer Verkehrswesentlichkeit.

Die Eigenschaften einer Person umfassen die wesentlichen, also persönlichen Merkmale. Wesentlich sind zum Beispiel die Qualifikation, das Alter, Vorstrafen und das Geschlecht.
Die einer Sache sind beispielsweise der Wert, Originalität, Alter, Größe, Bestandteile oder der Preis.

Die Verkehrswesentlichkeit ist abhängig vom einzelnen Rechtsgeschäft.
Ein Auto, welches zum gewöhnlichen Gebrauch verkauft wird hat natürlich Räder, einen Motor und ist fahrtüchtig. Ein Auto für die Restauration oder für die Ausschlachtung hat nicht unbedingt in seiner Verkehrswesentlichkeit dieselben Merkmale wie ein Neuwagen.

4. Anfechtungsgrund: Falsche Übermittlung i.S.d. §120 BGB

§120 BGB:
Eine Willenserklärung, welche durch die zur Übermittlung verwendete Person oder Einrichtung unrichtig übermittelt worden ist, kann unter der gleichen Voraussetzung angefochten werden wie nach §119 eine irrtümlich abgegebene Willenserklärung.

Hier wird von unrichtiger Übermittlung gesprochen, welche als Anfechtungsgrund einem Erklärungsirrtum gleichgestellt wird. Eine falsche Übermittlung ist eine, z.B. durch einen technischen Fehler, verzerrte oder falsch adressierte Erklärung des Willens.

5. und 6. Anfechtungsgrund: Arglistige Täuschung und widerrechtliche Drohung i.S.d. §123 BGB

§123 (1) BGB:

Wer zur Abgabe einer Willenserklärung durch arglistige Täuschung oder widerrechtlich durch Drohung bestimmt worden ist, kann die Erklärung anfechten.

Der §123 (1) BGB bietet zwei Alternativen an. Zum Einen die arglistige Täuschung, zum Anderen die widerrechtliche Drohung.

Als Täuschung wird eine Hervorrufung einer falsche Vorstellung über Tatsachen. Eine arglistige Täuschung ist eine Täuschung unter Vorsatz (Absichtverhalten). Der Täuschende weiß, dass ein Anderer seine Willenserklärung so nicht abgeben würde, wenn der Andere über die wahren Tatsachen bescheid wissen würde, dieser Tatbestand kennzeichnet die Arglist. Dabei kann auch ein Schweigen (fallabhängig) eine arglistige Täuschung sein.

Auch wenn es aus dem Paragraphen nicht hervorgehen mag: Eine arglistige Täuschung ist nicht immer widerrechtlich, ein Vertrag kann nicht angefochten werden, wenn ein Vertragspartner eine rechtskonforme Lüge verwendet hat. Dies kommt besonders im Arbeitsrecht (z.B. beim Vorstellungsgespräch) zur Geltung. Es handelt sich hierbei jedoch um Ausnahmen!

Eine widerrechtliche Drohung zur Erzwingung zur Abgabe einer Willenserklärung, und hier wird explizit die Widerrechtlichkeit betont, ist anfechtbar. Ohne hierbei gesondert auf die Drohung einzugehen, ist die Willenserklärung nur eine vorgetäuschte, also keine Erklärung, die einen echten Willen widerspiegelt.

Eine Drohung kann eine Ankündigung eines Übels sein, welche der Drohende nach seinen Angaben (auch aus dem Kontext heraus) beeinflussen kann. Dabei ist unerheblich, ob die Drohungshandlung vom Drohenden tatsächlich beeinflusst (vollzogen, gesteuert oder eingeleitet) werden kann.
Der klassische Fall einer widerrechtlichen Drohung ist die Androhung von Gewalt der einen Vertragspartei gegenüber der Anderen.

Anfechtungsfristen

Das BGB regelt die Anfechtungsfrist abhängig vom Anfechtungsgrund.

§121 (1) BGB:

Die Anfechtung muss in den Fällen der §§ 119, 120 ohne schuldhaftes Zögern (unverzüglich) erfolgen, nachdem der Anfechtungsberechtigte von dem Anfechtungsgrund Kenntnis erlangt hat. Die einem Abwesenden gegenüber erfolgte Anfechtung gilt als rechtzeitig erfolgt, wenn die Anfechtungserklärung unverzüglich abgesendet worden ist.

§121 (2) BGB:

Die Anfechtung ist ausgeschlossen, wenn seit der Abgabe der Willenserklärung zehn Jahre verstrichen sind.

Eine Anfechtung aus Gründen eines Irrtums (§119 BGB) oder einer falschen Übermittlung (§120 BGB) kann demnach spätestens nach zehn Jahren nach Vertragsschluss angefochten werden, es muss jedoch unverzüglich, also schnellst möglich angefochten werden um dem §121 (1) BGB gerecht zu werden.

§124 (1) BGB:

Die Anfechtung einer nach §123 BGB anfechtbaren Willenserklärung kann nur binnen Jahresfrist erfolgen.

§124 (2) BGB:

Die Frist beginnt im Falle der arglistigen Täuschung mit dem Zeitpunkt, in welchem der Anfechtungsberechtigte die Täuschung entdeckt, im Falle der Drohung mit dem Zeitpunkt, in welchem die Zwangslage aufhört. Auf den Lauf der Frist finden die für die Verjährung geltenden Vorschriften der §§206, 210 und 211 entsprechende Anwendung.

§124 (3) BGB:

Die Anfechtung ist ausgeschlossen, wenn seit der Abgabe der Willenserklärung zehn Jahre verstrichen sind.

Eine Anfechtung mit Anfechtungshintergrund der arglistigen Täuschung und widerrechtlichen Drohung ist generell befristet auf ein Jahr nach Entdeckung der Täuschung bzw. Ende der durch Androhung entstandenen Zwangslage. Jedoch gilt auch in diesen Fällen, dass die Anfechtung spätestens nach zehn Jahren geschehen kann, ausgehend vom Vertragsschluss.

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